Prof. Dr. Ulrich KÖRTNER:
Von jeder Religion das Beste?
Ein kritischer Blick auf den Anspruch eines Weltethos
Dienstag, 21. Februar 2023, 18.30-20.00
Otto-Mauer-Zentrum, Währingerstraße 2-4, 1090 Wien
„Kein Weltfriede ohne Religionsfriede. Kein Religionsfriede ohneReligionsdialog“: So lautet die bekannte Formel des katholischen Theologen Hans Küng (1928–2021), der durch sein Projekt Weltethos international bekannt geworden ist. Unbeschadet der Konkurrenz ihrer Weltdeutungen und Heilserwartungen hält Küng die Religionen für die Entwicklung eines Weltethos für unentbehrlich, weil sie allein angeblich „die Unbedingtheit und Universalität ethischer Verpflichtungen begründen“ (Küng) können. Sie seien dazu in der Lage, weil sie in einem gemeinsamen Grundethos konvergieren, dessen oberste Maxime die sogenannte Goldene Regel ist. In ihr konvergieren nach Küng aber auch die Religionen und die gegenüber der Religion autonome Philosophie der europäischen Neuzeit. In Wahrheit sieht sich das Projekt Weltethos freilich nicht nur mit dem Pluralismus der Ethiken, sondern zusätzlich mit dem Pluralismus der Religionen konfrontiert. Dass es angesichts der globalen Probleme und des Konfliktpotentials multikultureller Gesellschaften notwendig ist, einen interreligiösen Dialog auf allen Ebenen zu führen und nach ethischen Konvergenzen der Weltreligionen zu suchen, dürfte außer Frage stehen. Geschichtliche Erfahrungen sprechen freilich für die Umkehrung der Küngschen Formel: „Kein Religionsfriede ohne säkularen Frieden“, will sagen: Kein Religionsfriede ohne die Domestizierung und Befriedung religiöser Absolutheitsansprüche durch den modernen säkularen Rechtsstaat. Die von Küng formulierten Maximen elementarer Menschlichkeit erzeugen lediglich den Schein einer Konvergenz, der sich auflöst, sobald man fragt, wie diese Maximen in den einzelnen Religionen und im ethischen Konfliktfall inhaltlich gefüllt werden. Gerade die zwischen den Religionen bestehenden Differenzen in der Menschenrechtsfrage zeigen deutlich, wie schnell Küngs Weltethos an seine Grenzen stößt, sobald nach der ethischen Konkretion seiner allgemeinen moralischen Maximen gefragt wird. Eben darum empfiehlt sich ein kritischer Blick auf Küngs Programm.
Das Semesterthema lautet "ORIENTIERUNG IM RELIGIÖSEN PLURALISMUS" Semesterprogramm
Donnerstag, 15. Dezember 2022, 18.30-20.00
(Otto-Mauer-Zentrum, Währingerstraße 2-4, 1090 Wien)
Neuer Termin: Dienstag 13. Juni 2023
Mohandas Karamchand Gandhis Idee vom "Festhalten an der Wahrheit" (satyagraha) und sein Ideal der "Gewaltlosigkeit" (ahimsa)
und die Frage nach deren zeit- und ortloser Gültigkeit und interkultureller Relevanz
Peter Ramers, Vallendar
Gandhis Bemühen, Religiosität und die politische Ethik mit dem Ziel politischer und sozialer Veränderungen zu vereinen, gründet im unbedingten „Festhalten an der Wahrheit“ (satyagraha) als der Konsequenz der inneren göttlichen Stimme und dem damit verbundenen Ideal der „Gewaltlosigkeit“ (ahimsa), das Gandhi in seiner Jugend sehr zu schätzen lernte und das er mit dem biblischen Ideal der Feindesliebe verknüpfte und in einem positiven Sinne als Vorschrift des Wohlwollens und der Liebe gegenüber allen Geschöpfen verstand. Das „Festhalten an der Wahrheit“ setzt dabei für ihn ein langfristiges Denken voraus, das auf die Etablierung eines stabilen friedlichen Miteinanders abzielt, wobei er auf die Macht der Machtlosen als die letztlich erfolgreiche Strategie des zivilgesellschaftlichen gewaltlosen Widerstandes vertraut. Damit hat Gandhi das Konzept einer interreligiös inspirierten Friedensethik zu einer zivilgesellschaftlichen Strategie ausgeformt, die im 20. Jahrhundert zu einer der wichtigsten Methoden des Widerstandes gegen ungerechten Herrschaftssysteme geworden ist.
Prof. Dr. Peter Ramers
1996 Lektor für Religionsphilosophie und Geschichte der Philosophie. 1998 Dozent für Religionsphilosophie, Religionswissenschaft und Geschichte der Philosophie. 2001 Professor für Religionswissenschaft, Religionsphilosophie, Geschichte der Philosophie, Erkenntnislehre und Naturphilosophie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule SVD St. Augustin. 2004-2019 Prorektor und 2018-2019 Rektor der Fakultät. Seit 2021 Honorarprofessor für Religionswissenschaft und Interkulturelle Philosophie von der Vinzenz Pallotti University, Vallendar.
Das Semesterthema lautet "ORIENTIERUNG IM RELIGIÖSEN PLURALISMUS" Semesterprogramm
Donnerstag, 17. November 2022, 18.30-20.00 (per online-Übertragung)
Otto-Mauer-Zentrum, Währingerstraße 2-4, 1090 Wien
Der Vortrag wird als "online-Übertragung" im Otto-Mauer Zentrum stattfinden, der Vortrag wird auf die Leinwand projiziert, das Zuschalten von Zuhause ist möglich
Was ist Fundamentalismus? Ein religionssoziologischer Zugang
Michael Ebertz, Freiburg
In der modernen fragmentierten Gesellschaft, die ja gerade deshalb ‚modern‘ genannt wird, weil sie für das Vorrecht fortgesetzten Wandels einsteht und das Lob der Vielfalt und des permanent Neuen singt, steht gerade für ‚Religion‘ viel auf dem Spiel. Sie tritt mit einem universalen Deutungsanspruch auf und ist dabei – ‚religio’ – prinzipiell ‚rückwärtsgewandt’. Der religiöse Fundamentalismus kann als ein Symptom des Leid iens an dieser Spannung interpretiert werden, indem er das für ihn jeweils ‚Heilige‘ gegen den Wandel aktiv in Stellung bringt. Allerdings zeigt sich, dass auch der Fundamentalismus hochgradig zersplittert und somit selbst dem Gesetz der Pluralisierung ausgeliefert ist, gegen das er - religionsintern und religionsextern - zu Felde zieht. Er ist schon deshalb nicht nur ein Symptom des Leidens an der Moderne, auch nicht seiner ‚Erlösung‘, vielmehr treibt er die Pluralität der Moderne selbst voran.
Prof. Dr. rer. soc. habil, Dr. theol. Michael N. Ebertz
lehrte bis Mitte 2022 Soziologie und Sozialpolitik an der Katholischen Hochschule Freiburg. Er hat an der Goethe-Universität Frankfurt Pädagogik und Soziologie, an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt Religionssoziologie studiert und an der Universität Konstanz gelehrt und geforscht. Er war lange Zeit Sprecher der Sektion Religionssoziologie in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und hatte zahlreiche Gastprofessuren inne. Er ist Träger des Bad Herrenalber Akademiepreises, des Sexauer Gemeindepreises und der Ferdinand Boxberger Preises der Jesuiten in Ludwigshafen. Als Autor zahlreicher Werke zur historischen Entstehung, Entwicklung und Transformation des Christentums geht er den aktuellen Entwicklungen der Kirchen nach und beschäftigt sich mit verschiedenen Erscheinungsformen in der religiösen Landschaft der Gegenwartsgesellschaft (siehe auch michaelebertz.de).
Der Vortrag wird als "online-Übertragung" im Otto-Mauer Zentrum stattfinden, der Vortrag wird auf die Leinwand projiziert, das Zuschalten von Zuhause ist möglich.
Das Semesterthema lautet "ORIENTIERUNG IM RELIGIÖSEN PLURALISMUS" Semesterprogramm
Donnerstag, 27. Oktober 2022, 18.30-20.00
Ambiguität oder Alterität?
Zur Deutung unterschiedlicher Lösungsangebote für religiöse Grundfragen
Silvia Richter, Berlin
Powerpoint-Präsentation zum Vortrag hier zum Herunterladen
Wie kann im Zusammenspiel unterschiedlicher Kulturen und vor dem Hintergrund diverser Lebensentwürfe in den zeitgenössischen Gesellschaften noch ein gelingendes Miteinander verwirklicht werden, das zugleich wertvolle Impulse für die religiösen Grundfragen heute liefern kann?
Zur Klärung dieser Frage möchte der Vortrag unterschiedliche religionsphilosophische Ansätze in den Blick nehmen und sich dabei insbesondere auf das jüdisch-christliche Gespräch – vor und nach dem „Zivilisationsbruch“ (Dan Diner) der Shoah – konzentrieren. Hierzu werden unterschiedliche Konstellationen, Gesprächspartner und philosophische Entwürfe vorgestellt: Vom kontrovers geführten Religionsdialog Franz Rosenzweigs mit Eugen Rosenstock-Huessy ausgehend, über die Figur des Anderen und dem Konzept der Alterität bei Emmanuel Levinas bis hin zum Ansatz des dialogischen Denkens und der Anerkennung des Anderen bei Martin Buber möchte der Vortrag Einblicke in unterschiedliche Lösungsangebote geben, die für die Klärung religiöser Grundfragen und der Orientierung im religiösen Pluralismus auch in der heutigen Zeit nichts an Brisanz und Aktualität eingebüßt haben.
Silvia Richter ist Projektkoordinatorin "Dynamiken des Religiösen" (Martin-Buber-Professur für Jüdische Religionsphilosophie) an der Universität Frankfurt, sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Romano Guardini-Professur für Religionsphilosophie und theologische Ideengeschichte am Zentralinstitut für Katholische Theologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie promovierte an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg mit einer Studie zur Sprachphilosophie Emmanuel Levinas’ und Franz Rosenzweigs und arbeitete anschließend in Paris am Mémorial de la Shoah als wissenschaftliche Koordinatorin.
Der Vortrag wird als "online-Übertragung" im Otto-Mauer Zentrum stattfinden, der Vortrag wird auf die Leinwand projiziert, das Zuschalten von Zuhause ist möglich.
Das Semesterthema lautet "ORIENTIERUNG IM RELIGIÖSEN PLURALISMUS" Semesterprogramm