Forum für Weltreligionen
Spiritualitäten im Dialog

Flucht und Sendung - ein Paradox? Ordenstagung 2016

Orden und abgesonderte Lebensformen in den Religionen

Odenstagung 2016 - Scheich Cunz

So lautete der Titel der Tagung, die sich im Pallottihaus in Wien von 13. bis 15. März 2016 mit Orden und „abgesonderten“ Lebensformen in den Religionen befasste. Katholische Ordensmitglieder aus ganz verschiedenen Richtungen von monastischen Gemeinschaften über Kongregationen bis zu Gründungen des 20. Jahrhunderts wie die Kleinen Brüder Jesu aus der Familie des Charles de Foucauld oder die Schwestern der Jüngersuche, aber auch andere interessierte ChristInnen waren vertreten. Sie diskutierten die Frage nach ihrer Identität in Geschichte und Gegenwart zwischen einem gewissen Grenzübertritt aus der Welt hinaus und einer neuen Weltpräsenz in Gestalt einer Sendung. Als Gäste und Vortragende aus anderen Religionen nahmen die ordinierte buddhistische Nonne und Buddhologin Carola Roloff und der Scheich des Mevlana-Ordens in der Schweiz Peter Hüseyin Cunz, ein Sufi, teil.

Die Veranstaltung war ein weiterer Baustein im Rahmen des Projekts Charismen und Religionen. Dieses wird seit 2010 vom Forum für Weltreligionen, der ökumenischen Arbeitsstelle für interreligiösen Dialog (früher unter dem Namen Kontaktstelle für Weltreligionen bekannt), gemeinsam mit einem Team von Ordensleuten und ExpertInnen betrieben. Einige der Programme aus dem Projekt wurden bereits in Publikationsform zugänglich gemacht (www.weltreligionen.at). Absicht dabei ist es, auf der Basis der christlichen Kirchen theologische Grundlagenarbeit für den Dialog der Religionen zu erarbeiten und dabei besonders die Rolle und Bedeutung der Charismen in Gestalt der großen spirituellen Traditionen des Christentums zum Thema zu machen – Orden und ihr Potential für den Dialog.

Anneliese Herzig MSsR erörterte die von der Gesamtkirche immer noch nicht ganz verstandene Bedeutung der apostolischen Gemeinschaften. Deren Charkateristikum bestünde darin, nicht einfach zwischen Rückzugsphasen von Stille und Gebet einerseits und Zeiten der Pastoral und des sozialen Engagements andererseits abzuwechseln, sondern die Quelle der eigenen Kraft und Spiritualität gerade auch in der apostolischen Arbeit selbst zu finden. Ob der Rückzug aus der Welt noch etwas anderes beinhalte als die Absage an die Sünde, wie das Zweite Vatikanum in Perfectae Caritatis meine, hänge vom Weltbegriff ab. Schließlich führe nicht die Welt zur Sünde, sondern der freie Mensch bringe die Sünde in die Welt. Insofern der Weg jedes Christen an der Bewegung Gottes in die Welt hinein teilnehme, eine Bewegung, die nur durch Liebe motiviert sei, sei ein positives Weltverhältnis für das Christsein in jeder Form entscheidend.

Wie sich auch das christliche Mönchsleben, das sich früher noch als „Stand der Vollkommenheit“ betrachtete, einreihe in das Bewusstsein von der Berufung aller zur Heiligkeit – eine revolutionäre Einsicht in die biblischen Grundlagen durch das Konzil – ,  führte Michaela Pfeifer OCist, die bis 2013 Direktorin des Monastischen Instituts von San Anselmo in Rom war, aus. Sie stellte einige theologische Elemente der Regula Benedicti vor, die Bedeutung der Gegenseitigkeit im Verhalten der Mönche und Nonnen zueinander, markiert mit dem kleinen Wort invicem und ihr Auftrag, amator fratrum, Liebender der Brüder zu sein.

Der Religionswissenschaftler Peter Ramers CSSp, stellte die Wege des Hindulebens vor, die Phase der Hauslosigkeit als den vierten Abschnitt des Lebens, die Modelle des Lebens im Aschram, wobei sich das traditionelle vom modernen des 19. Jhdts. Sehr unterscheide. Sinn und Zweck des monastischen Lebens im Buddhismus ließ die Unterschiede und Berührungspunkte mit dem Christentum besonders deutlich werden: Genügsamkeit, Keuschheit und Gehorsam als Weg zur Befreiung aus dem Kreislauf von Tod und Geburt. Auch in buddhistischen Klöstern gibt es das Phänomen von Klerikalisierung und Patriarchalisierung. Buddhismus als Mönchsreligion bietet die Gemeinschaft des Shanga als ein Element, zu dem der Buddhist „Zu-flucht“ nehmen kann, wie er zu Buddha und seiner Lehre Zuflucht nimmt. 

Eine überaus selbstkritische Darstellung der Sufiorden brachte Scheich Cunz ein. Die tiefe spirituelle Kraft der Sufiorden, die Treue der Sufi zum Islam generell, ihre Dienstbereitschaft, ihr Verantwortungsempfinden für die Gesellschaft und die Willensstärke der Mitglieder stellte Cunz als die besonderen Merkmale dar. Dennoch sei durch Verkrustung und Konservativität die Bewegung heute unbedeutend geworden und befinde sich in der Krise. Zölibat werde wie im Islam im Allgemeinen so auch in den Sufiorden skeptisch betrachtet und nicht befürwortet. Vielmehr seien die Familien in die religiöse Praxis mit einbezogen.

Hinsichtlich der Vergleichbarkeit der verschiedenen Sonderwege in den Religionen half ein religionswissenschaftlicher Durchgang durch die möglichen Fragestellungen und Methoden des Vergleichs zu größerer Klarheit. Begegnungen von christlichen Ordensleuten mit buddhistischen oder muslimischen Gemeinschaften sollten nicht fälschlich oder vorschnell als intermonastischer Dialog (dialogue intermonastique) bezeichnet werden. Was auf den ersten Blick überraschend ähnlich erscheinen mag, wird bei näherer Betrachtung im Kontext der jeweils eigenen Religion sehr anders. Anthropologischen Grundlagen wie das Bedürfnis nach Abgeschiedenheit, Rückzug oder auch die Ausbildung von Sozialformen finden sich auch außerhalb von Religionen – auch Friedrich Nietzsches Idee eines säkularen Klosters von Philosophen kann als Inspiration betrachtet werden.

Widerspruch und Nachdenklichkeit verursachte ein Zitat Kardinal Sergio Pignedolis aus dem Jahr 1973, dem damaligen Leiter des vatikanischen Sekretariats für Nichtchristen: „Der Mönch verkörpert historisch und in vorzüglicher Weise den homo religiosus in allen Zeiten und ist in gleicher Weise ein Bezugspunkt für Christen und Nichtchristen. Die Existenz des Mönchtums im tiefsten Herzen der Kirche gleicht einer Brücke zu allen Religionen.“ Aber auch Beispiele aus dem mittelalterlichen äthiopischen Mönchtum veranlassten zu dem spontanen Ausruf: „Ist das nicht eine andere Religion als das Christentum?“ Aus der Sicht der Familie des Charles de Foucauld ginge es darum, wie Jesus selbst einfach ein Mensch unter Menschen zu sein, das Leben der Armen zu teilen und sich gerade nicht abzusondern. Es besteht eine dynamische Spannung zwischen Rückzug und Hingabe für alle, zwischen Widersagen und Sendung mitten in die Welt, die noch eine Fülle von Material zur weiteren Reflexion, aber auch zu kritischer Selbstbesinnung und Austausch bietet.

Die Tagung wird in den nächsten Monaten auch als Publikation im Forum für Weltreligionen erhältlich sein. Die letzten Ordenstagungen sind bereits in Buchform erhältlich - siehe Publikationen.