Forum für Weltreligionen
AGORA Sommersemester 2023

 MESSIANISMUS  ALS GESCHICHTSPRÄGENDE  KRAFT
Kontroversen und Alternativen der Weltreligionen

Sommersemester 2023

Veranstaltungsort:
Otto-Mauer-Zentrum, Währingerstraße 2-4, 1090 Wien

Semesterprogramm

Dienstag 14. März 2023    18.30 

   Susanne Plietzsch, Salzburg

   Zwischen Verzweiflung, Hoffnung und Utopie.
      Spuren des Messias in biblischen und rabbinischen Texten

Dienstag 18. April 2023   18.30   

   Tilman Nagel, Göttingen    

   Der Dschihad als die Triebkraft und die Scharia als die Bewahrung des Islam
  

Dienstag 16. Mai 2023    18.30 

   Anton Pelinka, Innsbruck

   Faschismus und Kommunismus als moderne Messianismen

Dienstag 13. Juni 2023    18.30  per Online-Übertragung

   Peter Ramers, Vallendar   

   Gandhis Idee vom „Festhalten an der Wahrheit“ (satyagraha) und sein Ideal der „Gewaltlosigkeit“   (ahimsa)
   und die Frage nach deren zeit- und ortloser Gültigkeit und interkultureller Relevanz

Der Vortrg wird per "online-Übertragung" im Otto Mauer-Zentrum stattfinden - der Vortrag wird auf die Leinwand projiziert. Das Zuschalten von Zuhause ist ebenfalls möglich - der Zugangslink wird vor dem Vortrag bekannt gegeben.
   

AGORA - Vortragsreihe in Kooperation mit:
OTTO MAUER-ZENTRUM - FORUM ZEIT UND GLAUBE (
1090 Wien, Währingerstr. 2-4)
 

 

Zum Semesterthema:  MESSIANISMUS ALS GESCHICHTSPRÄGENDE KRAFT

Ahnung des Anfangs und der Verdacht des Endes der Geschichte als Motive für Aus- oder Zuflüchte der Menschen.

Wie immer man die Anfänge des Alls interpretieren mag, fest steht sein befristetes Dasein. Für die Zwischenzeit menschlicher Geschichte gibt es unterschiedliche Deutungsmodelle. Man kann, wie die Erfahrung zeigt, so leben, als ob unsere Zeitläufte aus lauter Glücksfällen bestünden. Das Ende allerdings ist dann immer noch bange offen - der Tod mag kein Glücksfall sein. In den meisten Fällen wird jedoch das Schicksal als unselige Verkettung von fehlhaften Begebenheiten oder aussichtslosen Unglücksfällen erfahren: Tod ist dann ein erlösendes Verlöschen oder eine vage mögliche „beseligende Fortsetzung“.

Israel hat diese „Chronologie fatale“ durch die kühne Glaubensthese zugleich unterbrochen und gewandelt, dass Gott am Anfang und Ende jedes Menschenschicksals und der gesamten Menschheitsgeschichte steht. Dieser Einfall Gottes in die Geschichte (E. Levinas) wird messianisch genannt, denn er löst jede menschliche Einzelhaft durch Seine liebende Gemeinschaft ab. Und diese Hoffnung auf einen Gott im Bunde soll, darf und will Israel selber bezeugen: Es selber ist zum Messias in der Geschichte berufen und dieses Zeugnis ist zu bewähren. Messias heißt Bote des Heiles Jahwes inmitten dieser Welt zu sein: Gläubige dürfen schon hier erfahren und teilen, was dann noch aussteht.

Die messianische Sendung ist analog und paradox zugleich:  Ein Bund hat freie Partner, deren Ergänzung ist jeweils anders und bleibt stets offen. Vor allem dann, wenn in dieser menschlichen Ebenbildlichkeit Gott selbst die Mitte sein will. Die Zukunft steht immer unter dem absoluten Vorbehalt Gottes, der freilich in seiner Freiheit zugleich die Treue ist.

Diese Botschaft wurde nicht immer als Heil in diese Welt getragen, auch nicht als solches aufgenommen. Oft auf sich alleine bezogen, oft als schon diesseitig (anthropologische Verkehrung als incurvatio super seipsum mit der Folge einer Welt „an und für sich selbst“), oft als bloß jenseitig verwirklicht, oft mit Gewalt eingeführt und allzu oft ohne jegliche dialogale Umsicht und Hinsicht ausgerichtet. Juden, Christen und Muslime sind von diesen (interkonfessionellen und interreligiösen) Kontroversen nicht freizusprechen - dennoch bleibt es für sie allesamt unerlässlich, an diese Botschaft zu glauben und sie hoffend zu vermitteln.

Paulus hat dieses erst- und einmalige monolatrische Wagnis Israels durch seine messianisch universale katabasis hyper panton in der „Ebed Jahwe“ Sendung durch dessen personale Engführung im soteriologischen Pessach des Jesus von Nazareth radikal universalisiert: Kein „nulla salus extra, sondern salus omnium intra et per Ecclesiam“. Das heißt, keine kirchliche Vereinnahmung, sondern Freisetzung und Rechtfertigung durch die Kirche. „Das Wort“ ist zu übersetzen in alle Sprachen und dort auch zu finden. Konkret von Galiläa über Judäa und Samaria in alle Welt. Und alle Welt ist hinein zu übersetzen in die Sprache des urbildlichen Erstlings. Es geht um eine analogia universalis in principe, eine radikale Redintegration geschichtlicher Kontinuitäten, Kontingenzen, eine anthropogenetische und humankulturelle Archäologie, kultische Paläontologie in Sammlung aller geistigen Energien und Dynamismen des Weltgeistes Gottes.

Es gibt aber auch eine säkulare Übereinkunft staatlich souveräner Integrität, die linguistisch, kulturelle, historische, kultische Belange dem pluralistischen Allgemeinwohl unterordnen muss bzw. diese zwar anerkennen und untereinander in ethischen Dialog bringen soll, aber dies auf egalitärer und dialogaler Basis. Das Überlebensrecht aller in „vereinten Nationen“ relativiert das Lebensrecht einiger aus den Wurzeln des Kultes und der Kultur.

Nun gibt es auch radikale religiöse Alternativen- nicht nur messianische Vorstellungen unter Ausschluss der Gotteshypothese, sondern vor allem solche, die eine Erlösung von jeglichem Schicksal dadurch mit sich bringt, dass sie durch ihre Aufhebung in die Zeitlosigkeit versucht werden kann. Freilich ist jeder Versuch dieser Aufhebung eine je anzugehende und durchzuhaltende Übung(Yoga), die so lange zu wiederholen ist, bis sie in ein völlig gelassenes, inhaltloses „Alles Eins“ (Nirwana) einfließt. Ein weiterer Teil der Menschheit sieht sich als Prisma kosmischer (Dao) und soziopolitischer (Konfutse) Ordnungen, in deren Harmonie man stets erst wird oder (in die Ahnenwelt) vergeht.

Die Rationalisierung zwischenzeitlicher Betreibung (Vertrieb) nächster Schritte vor dem a-rationalen Hintergrund des vor- oder endzeitlichen Ahnen und Hoffen der Menschheit. Chronologischer Zeitvertreib zwischen der Erfahrung kairologischen Anfangs und Endes. Das Moment des zeitlichen Innehaltens als personale und soziale Todeserfahrung: der Scharnier der Vertikale, Schritte ins Ungewisse, in die Leere - die Leiter lehnt in der Wolke Gottes - Aufstieg zum Berg der Klärung des Todesweges („Exodos“ Lk).