Forum für Weltreligionen
AGORA - Wintersemester 2018/19

LOCKUNG und SCHEU als religiöse Kategorien

Das "Tremendum und Fascinosum vor dem Heiligen" vor dem Heiligen als Urgrund aller Religionen

Programm zum Herunterladen

(Otto Mauer-Zentrum, Währingerstr. 2-4, 18.30-20 Uhr)

 

Do 11. Oktober 2018 (!Ort: Sommerrefektorium - Kirche St. Michael - Anfahrt siehe hier)

                                                                        Erik Petry, Basel

Nationalistische und kommunistische Polaritäten im Zionismus

Die Spannung zwischen Mythos und Mystik

Die Spannung zwischen strengem Sozialismus (Kommunismus) und Nationalismus wird gerade im Zionismus offenbar. Die marx´sche Ideologie kam auch im gesamten Urkommunismus vornehmlich durch Juden zum Tragen, wobei im Zionismus die Spannung zum Patriotismus besonders deutlich auffällt. Mythos und Mystik liegen bis heute in unversöhnlicher Auseinandersetzung.

 

Di 13. November 2018                                        Hamideh Mohagheghi, Paderborn

Die Ehe als heiliges Geheimnis von Anziehung und Entzug

Die Kleidung als äußerer Ausdruck innerer Haltung zur Schöpfungsordnung Gottes

Die Verschleierung des ehelichen Menschen deutet sein großes Geheimnis an – sowohl seine Selbstgewährung wie auch seinen Selbstentzug. Die aufgeklärte Entschleierung hingegen scheint ein Rückschritt zu seiner Brutalität zu sein und zeigt sich entsprechend in emanzipierten Gesellschaften.

 

Di 11. Dezember 2018                                         Elisabeth Hofstätter, Wien

Der hieros Gamos – die heilige Einung der Geschlechtlichkeit als Gotteserfahrung

Tantrismus als Erlebnis des Göttlichen in Sublimation und Abstinenz

In Hindutraditionen gilt die Pflege hoch empfindlicher Schamhaftigkeit zugleich jedoch die unverblümt ausgestellte und rituell vollzogene Sexualität der Aufhebung störender Differenzen. Zugleich dient im Tantrismus einiger Praktiken der sich entziehende Vollzug einer besonderen Sublimation des Geistes und Kompensation des Gemütes.

 

Do 10. Januar 2019                                              Volker Zotz, Luxemburg

Tremendum und Fascinans in buddhistischen Kontexten

Nirvāṇa, Śūnyatā, Bodhi

Der Buddhismus versucht, die sich offenbarende Wesensschau allen Seienden radikal zu verinnerlichen. Es gibt bei dieser Entleerung des Bewusstseins keine Seinsordnung mehr, es waltet die ausgeglichene erlöste Nichtigkeit.

 

 

HINTERGRUNDGEDANKEN (Petrus Bsteh)

Zunächst scheint es sich beim Thema Anziehung und Abstoßung um triebgesteuerte Haltungen zum anderen Geschlecht zu handeln. Das Wechselspiel der Werbenden ist tief verwurzelt in der animalischen Fortpflanzung des Lebens. „Omne animal post coitum triste“ (jedes Triebwesen scheidet aus dem Geschlechtsverkehr enttäuscht) Doch geht der Mensch wesentlich darüber hinaus: Er ahnt um die Vorfahren und sorgt für die Nachfahren, wenn er die Beziehung zum Gefährten aufnimmt: Jede Hochzeit ist Mitte eines Lebens mit Anfang und Ende: Eros und Thanathos sind im Gewissen vorgegeben. Dieses überschreitet die Grenzen der Gier nach dem Nächsten und bedenkt das jeweils Letzte, Der Mensch erfährt das Heilige des Ganzen.

Wenn Jäger und Sammler ihrer Beute nahen, üben sie Anapraxie und Analogie: Sie kleiden sich mit Fell und ahmen Haltung und Laute des Opfers nach. Dann warten sie bis das zu Erwerbende erjagd werden kann und darf. Alle frühen Selbstdarstellungen des Menschen zeugen vor anderen: So war und bleibt es, Hier, so war ich! Alles Vergängliche und Künftige ist Zufall, Gabe, liegt jedoch auch in meiner Macht. Der Mensch bittet und dankt.

Gleicherweise beginnt der Mensch die Erstlingsgaben des Erhaltenen oder Erworbenen dem Heiligen als Opfer darzubieten (zu weihen) und auch dem Mitmenschen als im Feuer gewandelte Speise und gegorenen Trank im Opfermahle anzubieten: Lebende und Tote werden so zu einer Gemeinschaft mit dem Ursprung, der Mitte und Zukunft des Menschen und seines All. Mit heiligem Ritual umgibt er die Opferfeier, mit Tracht gewandet, nimmt er mit den Geladenen teil. Und Kindern wird das Mahl erklärt.

Die Sprache ist Heiligung (folglich: Wandlung, Gewandung) des bloßen Leibes, ist Einweihung in das Geheimnis eigener Leiblichkeit, unwiderruflicher Bund (hin-)gegebenen Wortes, fleischgewordenes „Wir“ ganzer Gegenseitigkeit. („Accedit verbum ad elementum et fit sacramentum“ Augustinus). Die Einladung in das Heim der Familie schafft Verwandtschaft und die Einbürgerung (Geborgenheit) in eine Heimat erschließt Bekanntschaft. Sie alle bekunden unüberschreitbare Grenzen der Menschenwürde – nicht so sehr im Schutz äußerer Rechte auf „Eigensein“ und „Eigentum“, als vielmehr in innerer Freiheit zum Neuen, Kommenden. Die Sprache bezeugt die unzugängliche Neuheit je einzigartiger Tiefe und deren bleibende Gültigkeit. Die technisch verbreitbare, beliebig abrufbare Gewalt ist aus- und abgelaufen.

Neugier verstört und trübt die Quelle der Erkenntnis und lässt erblinden (S. Freud), Sehen bannt an blendende Oberflächen. Erst das Hören führt in die Tiefen jener Innigkeit, die nicht nach außen mitteilbar ist. Hier waltet die Analogie jenes Suchens, das so finden lässt, dass Gefundenes weiter streben lässt: Eine Verheißung nur gegenwärtiger Ewigkeit. Wachend warten, damit das Gewährte sich entziehe und Entzogene sich weiter gewähre. Scham schützt, Scheu bewahrt. Verhaltene Inhalte werden dem Enthaltenden geboten. Somit bleibt die Ehrfurcht der Beginn aller Weisheit.

Die religiöse Grunderfahrung von Sehnsucht und Scheu ist allen Monotheismen zutiefst verankert. Gilt sie auch für Monismen? Die Transzendenzhaltung von Glaube, Hoffnung und Liebe ist eine gewagte Wahl, nie eine vorliegende Selbstverständlichkeit. Man kann sie folglich auch in einen Immanenzraum des Göttlichen transponieren. In diesem Falle wird dem Erkennenden alles zum Wunder, dem nicht Erkennenden jedoch zum unabwendbaren Abscheu: Angst und Gier scheinen dort als leidvolles Schicksal, das sich erst in Gelassenheit auflöst. Darüber walten dann unergründliche Schicksalsmächte von innen und von außen.

Das für westliche Religionswissenschaft grundlegende Werk Rudolf Ottos über „das Heilige“ wird wohl auf „den Heiligen“ (H. Joas) ausgelegt werden müssen. Ob dann der Dialog der Monotheismen untereinander sich auch den Monismen öffnen und mit ihnen wirklich gelingen kann?