Forum für Weltreligionen
AGORA SommerSemester 2024

 DAS RECHT AUF DIFFERENZEN
UND DIE PFLICHT, SIE ZU BEWAHREN

Sommersemester 2024

Veranstaltungsort:
Otto-Mauer-Zentrum, Währingerstraße 2-4, 1090 Wien

SEMESTERPROGRAMM

Dienstag 12. März 2024    18.30

   Bernhard Dolna, Wien

   Von den zwölf Stämmen bis zum jüdischen Volk.
   Israel als eine Kultgemeinschaft und ihre Eigenheit in der Diaspora


Dienstag 23. April 2024            entfällt (gesundheitliche Gründe)

   Peter Antes, Hannover    

   Die eine Umma und ihre streitbaren oder gelassenen Mitglieder.
   Islamische Integrationspolitiken unter dem straffen Rahmen des Gesetzes Allahs

  

Dienstag 28. Mai 2024    18.30 

   Marion Rastelli, Wien

   Einheit oder Vielfalt?
   Zur frühen Entwicklung der Hindu-Religionen
  


Dienstag 25. Juni 2024    18.30  

   Dorothea Wippermann, Frankfurt   

   Einheit und Vielfalt in China.
   Daoismus und Konfuzianismus als Harmonietheorie und -praxis

  

  

AGORA - Vortragsreihe in Kooperation mit:
OTTO MAUER-ZENTRUM - FORUM ZEIT UND GLAUBE (
1090 Wien, Währingerstr. 2-4)
 

Zum Semesterthema:

Das Recht auf Differenzen und die Pflicht, sie zu bewahren

Das eine Heilige und die Vielfalt der Religionen

Der zurecht hochgeachtete Historiker M. Borgolte hat in fruchtbarer Zusammenarbeit mit Fachleuten aber auch mit Studenten kürzlich das umfangreiche Werk „Die Welten des Mittelalters – Globalgeschichte eines Jahrtausends“ herausgebracht. Darin heißt es einleitend: „… das westliche Europa, insbesonders die lateinische Christenheit (ist) keineswegs Ausgangspunkt und Zentrum. Jeder Region, jedem Land und jeder Kultur gebührt prinzipiell gleicher Rang.“ (S. 16) Was die endlich errungenen allgemeinen Menschenrechte, die übrigens das lateinische Mittelalter grundlegte, anlangt, ist dies nicht wiederum in Frage zu stellen, allerdings stellt sich die These der Gleichmacherei selbst in eine ganze Reihe von Fragen. Es geht ja nicht um abstrakte Gleichungen. Es handelt sich auch nicht um die konkreten Absolutsetzungen der Religionen mit deren Ausschließungen („Sic et non!“), schon gar nicht um Steigerungen „allerchristlichster Reiche“ oder Bevorzugungen wie „God´s Own Country“. Die gab es einmal bei uns. Warum das? Sind sie endlich abzulösen durch religiös abstinente, indifferente, neutrale Institutionen oder explizit atheistische Ideokratien? Wieso sie? Wie lange? In welchem Umfang?

Auch aufgeklärtes Denken beginnt mit Unterscheidungen (Aristoteles). Es gibt Entwicklungen in der Menschheit – akzelerierte (prometheische) und retardierte (epimetheische), auch in jedem einzelnen, eben freien Menschen. Auf verschiedene Weise kommt er zu Verschiedenem, zu anderen, zu sich selber. Und wiederum heißt Menschsein, gezeugt, geboren, erzogen, erwachsen und älter zu werden. Es gibt Geschlechter der Vorfahren, Gefährten und Nachfahren: Geschlechtlichkeit ist nicht anatomisch (eher „kata-polytomisch“) zu missverstehen, sondern ganzheitlich zu erkennen: Kein Mensch wird je Mensch ohne anzudenken, anzusprechen, anzuweisen: aktiv wie passiv ist diese seine zugeschaffene Lebensform. Man kann am Geschlecht manipulieren – vom Gegensatz bis zum Patrizid oder Femizid, ja Suizid. Von Abtreibung bis zum Inzest – der Perversionen ist kein Ende.

Denken ist aber nicht zunächst Unterscheidung- Kritik bis Krise- sondern –sit venia differenti- Beziehung. Das bezeugt die Nabelschnur. Und darnach die Sprache: Darin gibt es, gesprochen und geschrieben, das ganze Spektrum der Beziehungen auf der einen Achse des „Ja und Nein“: des „Ich-Du-es-wir“ und damit die Zeiten. Jeder Atemzug und Satz eröffnet und umschließt die Varianten dessen, was dazwischen liegt: Dia nicht nur dyo, also zwiespältig, zweifelhaft, zweideutig (amphi-, ambigue, alternativ), sondern beidseitig, ergänzend, bedingend (alternierend, alteritiv, altruistisch)

Es gibt eine Uroffenbarung, in der der Mensch – amphiktyonisch – des einen Ganzen inne wird. Dieses Innewerden geht so tief, dass es wie ein Denkmal bewahrt wird: „Unwiderruflich ist der Bund, den Gott mit allen durch das All geschlossen hat.“ Dieser Durchbruch Israels, des Gottsuchers, zum Menschensucher Gott bleibt auch das unauslöschliche Siegel im Gedächtnis der Menschheit - das sich nicht zuletzt auch in der Vollendung der menschlichen Sprache offenbart: J. G. Hamann – Fr. Rosenzweig – F. Ebner – mit dem pneumatischen „Wir“, das sich auf dem Weg zum Eschaton zunehmend durchsetzt. Der Mensch nimmt teil am göttlich gezeugten Unterschied, der durch eine göttlich gehauchte Verbindung überspannt wird. Die Teilhabe daran lässt den Menschen die lange Nacht und den anbrechenden Tag der Gotteserfahrung kosten. Unendliche Spannungen und Lösungen durchziehen die gesamte Schöpfung bis zur endzeitlichen Harmonie

Warum sollte es nicht eine Sprachwurzel geben, aus der Stämme und Geäst wachsen? Alle Sprachen – wo immer gewachsen – sind übersetzbar. Das so vielfältige Menschengeschlecht ist – zum Unterschied jeder übrigen Art der Lebendigen – verstehbar (bei all den unterschiedlichen Vokalen und einzigartigen Konsonanten) – es sei man verschwiege einiges (wie in Männer- bzw. Frauengesellschaften).

Sollte es nicht im Haushalt des „Weltgeistes“ Strebungen in der Richtung von Wurzeln zu Schößlingen, Zweigen und Ästen geben-(Entelechien)? Jedes Gewächs hat seine Blüten und Früchte. Ganz Afrika kannte kein Rad, Asien hingegen erkor es gleichsam als Wappen. Ein Kontinent braucht den spielerischen Tänzer ebenso wie der andere den strengen, wegbedachten Pilger, es drängt Menschen eben mündlich auszutauschen und auch schriftlich zu verkehren.